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Fossil "Ida", das Showgirl ist in Deutschland

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Jetzt ist sie also da – Ida, die Makellose. Das versteinerte Showgirl aus dem wissenschaftlichen Sommertheater.  

Bild zu: Fossil "Ida", das Showgirl ist in Deutschland   Ida, in der Nachbildung in Oslo. Fotos J. Müller-Jung

 

 

Zum ersten Mal in Deutschland. Wir erinnern uns: das Primatenfossil, mit dem im Mai die Menschheitsgeschichte neu geschrieben werden sollte. Das lemurengroße Skelett, das „alles verändern sollte”, „das achte Weltwunder” (was nur beweist, dass es sich um ein konstruiertes Wunder handeln kann, denn alle sieben Weltwunder davor waren Menschenwerk). Sei’s drum. Ida jedenfalls ist in Deutschland angekommen, im Senckenberg-Museum in Frankfurt. Und das Insitut freut sich selbstverständlich, die erste Vertreterin der neuen Gattung Darwinius masillae bei sich beherbergen zu dürfen. Ein Highlight der heute eröffneten Megaausstellung „Safari zum Urmenschen„. 

 

Zwei Dinge sind allerdings wohl anzumerken, bevor ein neuer Hype um das Fossil entsteht, das jetzt auch noch überflüssigerweise in der Übersetzung eines englischsprachigen Sachbuches von Colin Tudge mit dem Titel „Link” zum irreführenden „Missing Link” geworden ist (Es liegen bisher ja noch nicht  einmal Hinweise vor, dass es sich um einen direkten Vorfahren der Hominiden-Linie handelt. Und selbst wenn es so wäre: Wollen wir zur kompletten Verwirrung „Ardi” und „Lucy” und all die anderen Prähominiden auch als Missing links vorstellen, nur weil sie so wunderbar erhalten sind?).   

 

Zwei Fragen also müssen dringend gestellt werden zu Idas Deutschland-Premiere.  Erstens: War Ida nicht die längste Zeit hier „zu Hause”, nämlich sage und schreibe 47 Millionen Jahre  – nämlich verschüttet in der fossilienreichen Grube Messel bei Darmstadt? Klar war sie.  So gesehen hat Idas Gastspiel nicht nur einen heimatlichen Hintergrund, sondern eigentlich sogar einen hessischen.

 

Was direkt zur zweiten Frage führt: Ist das wirklich Ida, das mutmaßliche Feuchtnasenäffchenverwandte mit dem vorauseilenden Menschenaffenruf, das hier in seiner ganzen  Herrlichkeit heim findet? Hierzu ein klares Nein.  Die Fossilplatte auf der Treppe des Senckenberg-Museums ist nämlich eine Nachbildung, wenn auch in ihrer Qualität eine wirklich bemerkenswerte. Ich habe mir im Sommer von der Herstellung dieser für diverse Museen rund um die Welt angefertigten  Kunststoffplatten  in den Labors im Untergeschoss des Osloer Naturkundemuseums selbst ein Bild machen können. Dutzendweise standen sie zur Aussendung bereit. Jörn Hurum, der Osloer Forschungsleiter des Paläolabor und große Zampano der Ida-Präsentation in New York, der für Ida 750.000 Dollar anPrivatsammler gezahlt haben will, hat auch da wieder ganze Multiplikatorenarbeit geleistet: Perfekte Kopien (Fotos).

 

Nun, die Frankfurter Geschichte ist damit allerdings nicht zu Ende.

 

Denn Ida kommt wirklich.

  Bild zu: Fossil "Ida", das Showgirl ist in Deutschland   Bild zu: Fossil "Ida", das Showgirl ist in Deutschland

Vom 1. Februar bis 21.Februar 2010, so ist es jetzt erstmal verabredet, soll das Original im Senckenberg-Museum ausgestellt werden. Die Verhandlungen mit Oslo, wo man Ida nach den aufregenden Sommerwochen ein paar Monate Ruhe in der Vitrine gönnen wollte, waren schwierig. Sie haben Monate gedauert. Der teure Transport, Versicherungsfragen, das alles mußte haarklein geregelt werden, damit sichergestellt ist, dass das einmalig  erhaltene Primatenfossil (in dem der Mageninhalt mit den Nahrungsresten der letzten Mahlzeit Idas erhalten sind)  noch weiter wissenschaftlich ausgewertet werden kann.

  Bild zu: Fossil "Ida", das Showgirl ist in Deutschland   Bild zu: Fossil "Ida", das Showgirl ist in Deutschland

 

Und da mischt Frankfurt kräftig mit: Jörg Habersetzer, der Primatenexperte des Senckenberg-Instituts, der schon an der Originalpublikation in „Plos One” beteiligt  war, wird nach der Ausstellung umgehend neue, höher aufgelöste Röntgenbilder und CT-Aufnahmen von dem Skelett anfertigen. Und zwar zum ersten Mal von beiden Fossilplatten, der A- und der B-Platte (Ober- und Unterseite quasi), die ja nach den ursprünglichen Ausgrabungen vor Jahrzehnten in unterschiedlichen Händen sind.

„Mit den neuen radiographischen Aufnahmen bauen wir einen Datensatz von dann insgesamt ein paar Gigabyte auf und können so dann das Fossil in seiner ursprünglichen Verfassung  wieder herstellen”, sagt Habersetzer. 2010 sollen dann die neuen Erkenntnisse zu Ida veröffentlicht und ein Jahr später 2011 ein wissenschaftliches Symposion dazu in Frankfurt  veranstaltet werden.

 Was die wissenschaftliche Auswertung bis dato angeht, gibt es keine großen Durchbrüche zu vermelden, jedenfalls keine offiziellen. Veröffentlichungen seit der Präsentation habe es nicht gegeben in der Zwischenzeit, so Habersetzer, und Forschungsleiter Hurum „war erst einmal eine ganze Zeit damit beschäftigt, seine Arbeit zu verteidigen”. Die Arbeit, die Deutung des Fundes und gewiß auch die Show drum herum.   

  

von faz-jom erschienen in Planckton ein Blog von FAZ.NET.


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